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201. jugend presse kongress von young leaders

  • Writer: Schülerzeitung
    Schülerzeitung
  • Jun 30
  • 7 min read

Ein Artikel unserer Redakteurin Amelie Trost


Vom 23. - 25. Mai durfte ich nach einer Bewerbung am 201. jugend presse kongress von young leaders teilnehmen.young leaders bringt engagierte junge Menschen zusammen, die sich unter anderem mit gesellschaftlichen Zukunftsfragen auseinandersetzen und neue Perspektiven kennenlernen wollen. Der 201. JPK drehte sich unter Förderung des Bundesministeriums für Verkehr rund um die Themen Nachhaltigkeit und Mobilität.

Nachhaltigkeit - ein Begriff,

der in Politik, Wirtschaft oder Alltag präsent ist, aber dennoch oft unklar bleibt. Umso spannender war es, im Austausch mit Expert:innen aus verschiedenen Bereichen tiefer in das Thema einzutauchen.

 

Den Einstieg in das Kongressthema machte Prof. Dr. Löffl vom Institut für Wissenschaftsdialog der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe Lemgo mit seinem spannenden Vortrag aus einer historisch-philosophischen Sichtweise auf den Begriff Nachhaltigkeit, der zum Denken anregte.

Sowohl der Vortrag als auch das Interview, das meine Gruppe später führte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Menschen befinden sich in einem grundlegenden Umbruch. Seit dem Zeitpunkt, als der Mensch sesshaft wurde, hat sich unsere Welt, unsere Gesellschaft beständig verändert. Alte Erfahrungen und bewährte Denkweisen verlieren zunehmend an Gültigkeit. Unsere Gesellschaften müssen sich permanent weiterentwickeln, um den Herausforderungen der Gegenwart gerecht zu werden. Jedes Zeitalter wird dabei von einer Schlüsselressource geprägt. Doch heute erleben wir eine Dynamik jenseits unserer Vorstellungskraft. Entwicklungen verlaufen nicht mehr linear, sondern in komplexen, oft kaum durchschaubaren Systemen - ein blinder Fleck, so nennt es Prof. Dr. Löffl, für viele von uns.

Die digitale Revolution und das Internet haben Machtstrukturen fundamental verschoben. Plötzlich können Menschen sich auf neue Weise vernetzen, miteinander verbinden und gemeinsam agieren, wodurch ungeahnte Dynamiken entstehen. Diese vernetzte Welt fordert ein neues Maß an Empathie und gegenseitiger Verantwortung. Das alte, lineare System ist nicht mehr ausreichend: Jeder ist nun für alles mitverantwortlich. Unternehmen wirken oft brüchig, von Angst getrieben und überfordert von der Informationsflut, die das Wesen der Ungenauigkeit und Missverständnisse sichtbar macht. Nichts ist wirklich vorhersehbar und genau darin liegt die Herausforderung. Menschen brauchen Sicherheit, doch die wachsende Komplexität stellt Stabilität infrage. Klassische Begrenzungen und das Auf und Ab des Lebens gelten weiterhin. Doch Entscheidungen in komplexen Systemen können durch kleine Ursachen große Wirkungen entfalten - der sogenannte Schmetterlingseffekt. Hierbei zeigt sich das Missverständnis der reinen Rationalität: Menschen sind zwar vernunftgeleitet, aber keineswegs rein rational. Nachhaltigkeit wird zum blinden Fleck in unserer Wahrnehmung.

Angst ist laut Prof. Dr. Löffl ein hinderliches Gefühl in diesem Kontext. Stattdessen braucht es eine Erweiterung und Schärfung des Horizonts. Künstliche Intelligenz birgt große Risiken, wir könnten die Kontrolle verlieren. Man sollte sich nicht die Frage stellen: Was ist machbar? Denn dies ist nur eine Frage der Zeit. Die entscheidende Frage ist eher: Was ist überhaupt sinnvoll?

Die Grenze zwischen realer und virtueller Welt wird in naher Zukunft verschwimmen. Wir stehen an einem Scheideweg, einer Exo-Evolution. Menschen benötigen Routinen, denn jenseits von „stress in the city“ leben wir zunehmend in virtuellen Welten. Wie der Historiker Yuval Noah Harari fragte: „Wo wollen wir hin?“ Nachhaltigkeitspolitik steht vor der Herausforderung, komplexe Systeme zu steuern, in denen Katastrophen jederzeit ausgelöst werden können. Utopien sind wichtig, aber sie sind nie eins zu eins realisierbar. Jede Entscheidung hat Konsequenzen.

Die Menschen des 21. Jahrhunderts sind mächtiger als je zuvor, doch diese Macht verlangt neue Denkweisen. Philosophische Konzepte wie Verantwortung, Gerechtigkeit und Zeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Was ist sinnvoll? Wer kann das überhaupt beurteilen? Die Antwort liegt in einzelnen Köpfen, in neuen Ideen. Alte Konzepte reichen nicht mehr aus. Wir müssen uns von den Stereotypen der Vergangenheit lösen und neue Methoden entwickeln, um das exponentielle Wachstum und die Komplexität unserer Zeit zu bewältigen.

Das Bildungssystem sollte Menschen nicht nur zu Spezialisten, sondern zu Generalisten mit breit gefächerten Kompetenzen ausbilden. Menschen, die selbstständig denken, hinterfragen und kritisch gegenüber dem Unbekannten sind. Wir Menschen müssen ausprobieren, Erfahrungen sammeln - ohne Angst vor Fehlern. Denn nichts ist wirklich vorhersehbar, auch wenn uns oft das Gegenteil vermittelt wird. So sind auch Studien zur Zukunft nur bedingt verlässlich, da Entwicklungen oft nicht prognostizierbar sind.

Eine der gestellten Fragen, ob die Welt nachhaltig werden kann, wenn sich nicht jeder dafür einsetzt, beantworte Prof. Dr. Löffl mit einem Ja. Denn viele Menschen wissen gar nicht, was der Begriff Nachhaltigkeit wirklich bedeutet. Oft wird der Begriff inflationär als Marketinginstrument genutzt, ohne dass klare Zielsetzungen verfolgt werden. Es ist wichtig, Nachhaltigkeit nicht als „moralischen Zeigefinger“ zu verwenden, sondern Anreizsysteme zu schaffern, die Motivation fördern. In kapitalistischen und marktwirtschaftlichen Systemen stellt sich die Frage, wie Nachhaltigkeit marktfähig gemacht werden kann, wenn der Ressourcenverbrauch reduziert wird. Außerdem darf Nachhaltigkeit kein Kampfbegriff werden. Jeder hat das Recht, sie abzulehnen, muss dann aber die Konsequenzen tragen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Lösungen schon vorhanden sind, doch häufig nicht effektiv genutzt werden. Entscheidend ist, wer handelt und Verantwortung übernimmt. Die Transformation hin zu Nachhaltigkeit ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen gelingt. Menschen reagieren unterschiedlich, manche sind Altruisten, andere handeln aus Eigennutz. Menschen sind Herdenwesen. Einige setzen Impulse, andere folgen. Kluges Handeln bedeutet, den Menschen Hoffnung zu geben, statt sie zu belehren. Vertrauen in die Menschheit ist notwendig. Trotz aller Herausforderungen zeigt sich, dass unbegrenzter Erfindungsreichtum uns bereits geholfen hat, viele Hürden zu überwinden. Wir Menschen sind nicht nur schlecht, sondern besitzen auch die Fähigkeit zu Respekt, Empathie und Hoffnung - ohne Angst.

 

Weitere Vorträge waren von verschiedenen Experten aus Bereichen, wie z.B. die Wissenschaft oder Medien. Ein zentraler Vortrag kam von Dr. Guido Heinen, ein Ministerialdirigent des Deutschen Bundestages. Er stellte die Frage, wie Medien unsere Wahrnehmung und damit unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Medien sind ein zentraler Bestandteil unserer Kommunikation und Lebensrealität und haben damit eine große Macht. Doch sie sind kein neutraler Spiegel der Welt. Vielmehr zeigen sie Ausschnitte gefiltert durch Perspektiven, Interessen und Formate. Ob Bilder, Kommentar oder Ähnliches - die Wirkung ist enorm, oft unbewusst. Dabei wird die Grenze zwischen Fakten, Fake News und Fiktionen zunehmend unscharf. Dr. Heinen betonte, dass Medien Vertrauen voraussetzen. Wir glauben, was wir sehen, hören oder lesen, obwohl wir es meist nicht überprüfen können. Gleichzeitig gibt es eine Krise des Journalismus. Ökonomischer Druck, Polarisierung und der Kampf um Aufmerksamkeit verändern, wie und worüber berichtet wird. Konzepte wie Framing, Gatekeeping und Agenda-Setting zeigen, wie sehr Meinungsbildung heute beeinflusst wird. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass Medien uns vorschreiben, was und wie wir denken sollen. Dabei steckt auch eine große Chance in der heutigen Zeit. Noch nie war es (vor allem für die jüngere Generation) so einfach, selbst zu recherchieren, sich zu informieren und kritisch zu hinterfragen. Doch dazu braucht es Medienkompetenz, Neugier und die Bereitschaft, sich nicht mit der ersten Schlagzeile zufriedenzugeben.

In dem Vortag von Andreas Hain von der ARD wurde der Fokus auf das Thema der Mobilität gelegt, das eng mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft ist. Mobilität ist wichtig für uns Menschen. Sie ermöglicht z.B. die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, fördert die körperliche und geistige Gesundheit und trägt zur Selbstständigkeit bei.

In seinem Statement unterstrich er, wie stark die mediale Berichterstattung darüber entscheidet, welche Verkehrsformen in der öffentlichen Wahrnehmung dominieren. Studien zeigen, dass das Auto in klassischen und sozialen Medien deutlich häufiger gezeigt wird als z.B. Bus und Bahn. Das beeinflusst insbesondere junge Menschen, die sich an medial vermittelten Bildern orientieren. Gleichzeitig wurde deutlich: Mobilität ist mehr als nur Fortbewegung - sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen, ein Feld voller Geschichten, die von Technik, Umwelt, sozialer Gerechtigkeit und Zukunftsvisionen handeln. Reporter sollen dabei nicht nur berichten, sondern erleben, um zu verstehen, wie sich Mobilitätswandel tatsächlich anfühlt.

Auch Prof. Dr. Jürgen Krahl, Präsident der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe Lemgo, verwies auf die große Bedeutung technischer Innovation für nachhaltige Mobilität. Er plädierte für Technologieoffenheit statt ideologischer Grabenkämpfe und wies auf Alternativen wie Biokraftstoffe, Baukastenkonzepte und postfossile Antriebe hin. Entscheidend sei nicht der Verbrennungsmotor, sondern der Kraftstoff und der Wille, Bestehendes mutig immer weiterzuentwickeln. Der Klimawandel kennt keine Pausen. Deshalb braucht es Visionskraft, Mut, Demut und Geduld. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Kontext, sich weiterzubilden, sich auf neue Technologien einzulassen, mitdenken, ausprobieren und bereit sein, Routinen zu verändern.

Ein eindrucksvolles Bild von praktischer Nachhaltigkeit vermittelte auch Albrecht Broemme, Ehrenpräsident der THW-Stiftung. Er sprach nicht nur über Einsätze bei z.B. Überschwemmungen und neue Entwicklungen wie Drohnen oder mobile Beleuchtung, sondern auch über persönliche Lebenshaltungen. Nachhaltigkeit heißt, Dinge lange zu nutzen, sich zu bilden, gemeinschaftlich anzupacken, Brücken zu bauen - und auch mal einen Abend mit Freunden und/oder Familie ohne Handy zu verbringen.

Das letzte Statement war von Clara Alena Lütkefels. Sie setzt sich mit „Invest it!“ für Finanzbildung ein, damit junge Menschen wirtschaftlich verantwortungsvoll und zukunftssicher handeln können. Sie plädierte dafür, dass wir an einem Problem festhalten, leicht statt perfekt starten und keine Scheu haben sollen, nochmal alles „übern Haufen“ zu werfen.

 

Bei dem Kongress gab es neben den Vorträgen und Statements von Expert:innen auch journalistische Praxis. Ich war Teil des Print-Workshops. Dort erhielten wir von Lara Jäkel von der WELT Einblicke in den redaktionellen Alltag. Wir lernten, wie Kommentare aufgebaut werden, wie man eine Reportage beginnt und ein Interview vorbereitet. Meine Gruppe führte nach dem Input ein Interview mit Prof. Dr. Löffl und schrieb danach einen Bericht darüber für die Kongresszeitung, die am letzten Tag verteilt wurde. Wir standen alle unter Zeitdruck - doch es hat sich gelohnt.

 

Neben all diesen Impulsen und dem abschließenden Vortrag von Prof. Dr. Ingrid Schirmer von der Universität in Hamburg wurde auch deutlich, dass auch die Digitalisierung und der rasante Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz tiefgreifende Auswirkungen auf Nachhaltigkeit, Mobilität und unsere Gesellschaft insgesamt haben. Die digitale Revolution verändert nicht nur unsere Lebens- und Arbeitswelt, sondern stellt uns auch vor neue ethische, sicherheitspolitische und demokratische Herausforderungen. Gerade deshalb wurde betont, wie wichtig eine verantwortungsvolle Gestaltung dieser Technologien ist - sei es durch Bildung, Regulierung oder bewussten Umgang im Alltag.

 

Der 201. jugend presse kongress war für mich eine außergewöhnliche Erfahrung, die mir nicht nur neue Perspektiven auf Nachhaltigkeit und Mobilität eröffnete, sondern auch die Bedeutung von kritischem Denken, Eigenverantwortung und Zukunftsgestaltung vor Augen führte. Besonders bereichernd war der Austausch mit so vielen netten, engagierten jungen Menschen, die ebenso wie ich etwas bewegen wollen - sei es im Kleinen oder im Großen. Die Vorträge, die Diskussionen und praxisnahen Workshops haben mich inspiriert, nicht nur über die Welt von morgen nachzudenken, sondern aktiv an ihr mitzuarbeiten. Für Nachhaltigkeit braucht es Mut, Ideen und Zusammenhalt - und genau das habe ich an diesen drei Tagen gespürt.

 
 
 

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